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Museen ohne Inhalt

 

 

 

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Form und Funktion, so ist es zu lesen in den Erläuterungen von Wang Shu zu seinem Museumsbau in Ningbo. Wie soll der Architekt diesen auch herstellen, wenn das Raumprogramm im Lauf des Planungsprozesses immer wieder geändert wird und auch nach Fertigstellung des Rohbaus noch kein Plan für die Ausstellung vorliegt? Ähnlich vage Perspektiven hatte der Umbau der Fabrikhallen in Tangshan: Erst planten die Architekten einen Museenkomplex mit verschiedenen Ausstellungsmöglichkeiten, heute wird das Ensemble nur als langweilige Leistungsschau der stadtplanerischen Ergebnisse der Verwaltung genutzt.

Diese Beispiele sind keine Einzelfälle. In den vergangenen dreißig Jahren wurden weltweit mehr Museen eröffnet als es bisher überhaupt gab. Der Museumsbau ist zum Selbstzweck geworden, statt der Gemälde und Skulpturen bildet die Architektur die Hauptattraktion und den entscheidenden Marketingfaktor. Dass die Wirkung im Stadtbild wichtiger für den Erfolg des Museums ist als die Qualität der Innenräume und deren Bespielung, das hat das Guggenheim-Museum in Bilbao bereits 1998 bewiesen. Neuere Bauten, wie jüngst das „Museo de la Memoria de Andalucia“ (Heft 26.09), setzen auf immer stärkere städtebauliche Dominanten – im Inneren sind die Räume zum Teil noch nicht einmal für Ausstellungen geeignet.

Auch China hat an dem Museumsboom teilgenommen. Die seit 1978 propagierte Reform- und Öffnungspolitik führte zu einem rasanten Wirtschaftwachstum und zu nachhaltigen sozialen Veränderungen. Die Urbanisierung der Volksrepublik bewirkte die Umstrukturierung der Städte, es wurde viel gebaut, darunter auch zahlreiche Museen. 1978 gab es in der Volksrepublik China nur 349 Museen, bis 2008 stieg diese Zahl auf über 2300. Bis 2015 erwartet die Regierung mehr als 3000 Museen in China.

Bei diesen schnellen und zahlreichen Museumsprojekten sind viele Probleme entstanden. Die Prestigebauten bezeugen oft nur die Leistungen eines Beamten während seiner Dienstzeit. Jede große oder mittelgroße Stadt möchte wenigstens ein neues Museum bauen. Wegen ihrer räumlichen Präsenz im Stadtraum werden die Museen gerne als Teil eines übergreifenden Stadterneuerungskonzepts gesehen, in museologischer Hinsicht macht man sich wenig Gedanken. Oft besitzen die Museen gar keine entsprechenden Sammlungen, es fehlt das Personal, das die Ausstellungen kuratieren und einrichten kann. Die Ausstellungsinhalte bestimmen Regierungsbeamte oder Investoren aus völlig fachfremden Bereichen, die mit dieser Aufgabe überfordert sind. Da das Ausstellungsprogramm der unwesentlichste Teil der ganzen Planung ist, wird es häufig geändert.

Derartige Änderungen bei der Planung führen dazu, dass die Architekten die Räume nicht funktionsgemäß definieren können. Sie tendieren zu monumentalen Baukörpern und Räumlichkeiten. Das beeindruckt die Bauherren und verbirgt zugleich den Mangel an Ausstellungsgegenständen. Im Ningbo Museum etwa wurden überdimensionierte Erschließungsräume errichtet, imposante Treppen und Durchgänge verbinden die Ausstellungsräume – deren Innenausstattung ist aber vollständig den Leuten überlassen worden, die später die Ausstellungen machen. Für den Architekten kann man sich den Planungsprozesses der Gebäudestruktur daher wie einen städtebaulichen Entwurf vorstellen. Weil er keinen Einfluss auf die Ausstellungsräume hat, konzentriert er sich auf das, was bleibt: die Infrastruktur. Im Planungsmuseum von Tangshan dagegen wurden Ausstellungsräume zwar von den Architekten entworfen, aber anschließend durch die Ausstellung völlig „zerstört“ mit Plastikmodellen, Plasmabildschirmen und Inhalten, die keinen Bürger von Tangshan interessieren werden, schon gar nicht Touristen.

Das Planungsmuseum in Tangshan war von Anfang an ein städtebauliches Projekt, die Nutzung Nebensache. Auch von Altbausanierung und von der Wiederbelebung des verlassenen Industriegeländes war die Rede. Da aber kein einziges Gebäude unter Denkmalschutz steht, wählte man ein paar als geeignet befundene Gebäude aus und riss den Rest ab. Der verbleibende Bestand wurde lediglich dazu benutzt, eine nostalgische Atmosphäre zu schaffen, er gibt dem Projekt den modischen Ton. Das wäre auch angemessen für die Nutzung als Museumskomplex und in den Park integriertes Vergnügungsviertel, wie ursprünglich vorgesehen. Nach der Umnutzung durch das Stadtplanungsamt wirken die monumentalen Außenräume und die auf Kontrast setzende architektonische Sprache allerdings grundlos. Sie erinnern in ihrer Verlassenheit an den Zustand des Altbaus vor der Sanierung.

Das Ningbo Museum beeindruckt seine Besucher vor allem durch den markanten Baukörper, ein einsamer Berg in der neu gebauten Wüste, mit teilweise unregelmäßigen Volumina und daraus entstandenen scharfen Kanten. Die äußere Erscheinung ist definitiv interessanter als die Ausstellungsobjekte, die in dem Haus verborgen sind. Die Bautechnik ist nicht nur ein Tribut an das traditionelle Bauen – wer in China baut, wird dazu gezwungen, sich mit den Bedingungen vor Ort auseinandersetzen. Kein chinesischer Architekt würde es wagen, eine feine Sichtbetonoberfläche als Außenfassade vorzusehen, da die Ausführung nicht garantiert wäre. In Ningbo mischt Wang Shu in seiner Fassade unterschiedliche Materialien zusammen, um einen rauen, abweisenden Eindruck zu erzeugen ähnlich wie bei einem Bunker. Um den primitiven Charakter zu verstärken, setzt er zahlreiche kleine Fenster dazu. Da die Räume hinter den Fenstern nicht von den Architekten entworfen sind, dienen die wild gesetzten Öffnungen vor allem der Dekoration, genau so wie alle anderen Materialien der Fassade, die zwar einen massiven Eindruck erweckt, aber nur vorgesetzt ist. Die Architektur bleibt letztendlich ebenso beziehungslos wie ihr Inhalt.

Bauwelt约稿 2009年37期

 
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